Online Unterricht in der Fachlehrerausbildung


„Du hast etwas zu monoton gesprochen, an manchen Stellen könntest du noch stärker deine Wut zum Ausdruck bringen“, lautet das Feedback einer Studierenden zum Inneren Monolog, den ihr Kommilitone gerade vorgetragen hat. „Weißt du eigentlich, wie schwer es ist, seinen Bildschirm wütend anzublaffen?“ entgegnet der junge Mann leicht entnervt. Wir befinden uns im Homeschooling. Ist es möglich Schulspiel digital zu unterrichten? Ein Fach, das von Interaktion und Austausch lebt, in dem man lernt, Körpersprache und Mimik gezielt einzusetzen, daheim am Bildschirm zu erleben? Ja, es geht. Irgendwie. Die Studierenden entwickeln Monologe zu Bildern, die sie zuvor im Fach Kunst nach dem Vorbild des berühmten „Wanderers über dem Nebelmeer“ von Caspar David Friedrich nachgestellt und photographisch inszeniert haben. Einsame Figuren in weiten Winterlandschaften, verlorene Gestalten in einer gespenstisch leeren Innenstadt. Lebensgefühl im Lockdown. Wie geht es mir gerade? Was macht diese Situation mit mir? In sich hineinspüren und die Gefühle dann künstlerisch verarbeiten, auch dafür bietet künstlerisches Gestalten ein Ventil.

Fotografische Selbstinszenierung: Lebensgefühl im Lockdown Foto: privat


Die Gruppe trifft sich im Videochat, tauscht sich über die Ergebnisse aus, die jeder einzelne daheim erarbeitet und dann mit geteiltem Bildschirm zeigt. Aber alle spüren, dass es nur ein notdürftiger Ersatz ist für das Gefühl auf der Bühne zu stehen, Präsenz zu zeigen, mit der Stimme einen ganzen Zuschauerraum zu füllen. Die Studierenden lernen und üben in der Theaterarbeit, was sie später in ihrem Beruf so dringend brauchen werden: Sicheres Auftreten. Klares, betontes Sprechen. Eine lebendige Körpersprache. Im Lockdown werden die Inhalte auf das Nötigste heruntergefahren, aber immerhin besser als nichts. Schulspiel ist Teil der Ausbildung am Staatsinstitut für die Ausbildung von Fachlehrern in Werken, IT, Kunst oder Sport. Unterrichtet wird hier in kleinen Gruppen, nach bestandenem Aufnahmeverfahren kann man hier ab der mittleren Reife in einer 4-jährigen Ausbildung das erste Staatsexamen für das Lehramt an Mittel-, Real- oder Förderschulen ablegen.
„Fachlehrer sind in Bayern sehr gefragt, die Anstellungschancen stehen derzeit extrem gut. Und dennoch haben wir heuer noch zu wenige Bewerber für unseren Eignungstest. Das liegt sicherlich daran, dass alle Berufsmessen abgesagt sind und wir so über unsere Ausbildung kaum informieren können. Es ist nämlich nach wie vor vielen Schulabgängern nicht bekannt, dass man auch ohne Abitur Lehrer werden kann!“, so Ernst Kröner, Leiter des Staatsinstituts Augsburg.

Fachwechsel: Online Unterricht in Sport. Funktioniert mit theoretischen Inhalten wunderbar, Sportbiologie und Sport und Gesundheit können über Videokonferenzen gut vermittelt werden. ABER: Der praktische Bezug fällt schwer, Bewegungsaufgaben sind nur bedingt möglich. Ropeskipping im Schnee geht eher schlecht, Turnen im Schnee auch nur bedingt und die Hallen sind geschlossen, also keine Möglichkeit für ein Training zur Leistungsprüfung (Turnen, Schwimmen, Leichtathletik). Bewegung und Haltung leiden unter der permanenten Arbeit vor dem Bildschirm, die für die Ausbildung so wichtige Kondition und Beweglichkeit gehen zunehmend verloren.
Deutlich besser sieht es da im Fach IT aus: Im Bereich CAD zum Beispiel arbeiten die Studierenden eh am PC, deshalb ist Online Unterricht hier sehr unproblematisch. Auch das Steuern über Liveview ist möglich, wobei der Lehrer bei Schwierigkeiten auf den PC von Studierenden zugreifen kann. Die Aufgaben werden digital abgegeben und auf dem gleichen Weg zurück geschickt. Im manuellen Zeichnen auf der Platte wird es schwieriger: Hier zeichnet der Dozent mit der Dokumentenkamera auf der Platte mit und die Studierenden sehen das live. Sie geben digital ihre Zeichnungen ab und diese werden dann verbessert zurück geschickt. Das ist natürlich für beide Seiten zeitaufwändig, aber ohne große Qualitätsverluste für die Ausbildung machbar.
Der große Verlierer im Lockdown sind die praktischen Fächer. „Im Onlineunterricht leidet die praktische Arbeit leider sehr“, berichtet die Dozentin Tamara Haberstock, „ Arbeiten im Bereich Holz oder Faserstoffe sind kaum möglich. Es ist für die Studierenden nicht zumutbar, sie große Mengen Ausrüstungszubehör zusätzlich über das Internet bestellen zu lassen. Ich denke, die finanziellen Sorgen sind bei einigen schon groß genug. Es fallen derzeit ja auch die Einkünfte aus klassischen Studentenjobs im Handel oder in der Gastronomie aus, auf die viele junge Leute angewiesen sind. Wir weichen deshalb gerade in den Bereich Keramik aus, dazu mussten die Studierenden 'nur' einen Hubel Ton online bestellen und Muttis Küche nach geeigneten Werkzeugen durchforsten. Ewig kann auch das nicht funktionieren, vor allem habe ich Sorge, ob alle Werkstücke heil zum Brennen im Institut ankommen werden.“

Lehrerausbildung online, eine echte Herausforderung! Ein großer Vorteil am Institut gegenüber so mancher Schule ist, dass die technische Ausstattung, auch dadurch dass hier im Fach IT ausgebildet wird, hervorragend ist. Was trotzdem schmerzlich fehlt und nicht digital zu ersetzen ist, ist der zwischenmenschliche Kontakt, der hier in kleinen Gruppen intensiv gepflegt wird. Man versucht ihn in den Videochats aufrechtzuerhalten, freut sich seine Gruppe zwar online, aber dafür ohne Maske zu sehen, nimmt sich neben dem Unterricht auch Zeit für persönlichen Austausch und versucht im Auge zu behalten, ob es den Studierenden psychisch gut geht. Die Einschränkungen zur Eindämmung der Corona Pandemie treffen vor allem junge Menschen oftmals hart, die es gewohnt sind, auszugehen, Kontakte zu knüpfen, Zeit mit ihren Freunden zu verbringen. „Der Online Unterricht gibt meinem Tag Struktur“, meint der Studierenden Mevlana V., der sich trotz sichtlich angeschlagener Gesundheit pünktlich in den digitalen Kunstunterricht einwählt, „den will ich nicht verpassen. Und auch die anderen mal sehen, wenn auch nur auf dem Bildschirm, das tut mir gerade gut.“

Auch die vielen Schulpraktika und die damit verbundenen Begegnungen mit Schülern und realen Unterrichtssituationen sind zurzeit nicht möglich, ein Bereich, auf den bei der Lehrerausbildung am Staatsinstitut viel Wert gelegt wird. Ob das geplante Land Art Projekt im Sommer zusammen mit Schülern der Heinrich-von-Buz Realschule stattfinden wird? Man wird sehen. Die Chancen stehen nicht schlecht, Kunst in der Natur findet immerhin draußen statt. Vielleicht ist das ja im Juli wieder möglich? Ein Hoffnungsschimmer im oftmals so grauen PC Alltag.

Text und Fotos: Gabriele Smekal

 

 

 

 

 

 

 

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