Die Zuschauer werden wie eine Viehherde in die engen Gänge des Spindraums getrieben. Tiermasken starren uns reglos an, metallische Schläge erschüttern den Raum, der in kaltblaues Licht getaucht ist. Ein albtraumartiges Szenario. Unbehagen, Angst kommt auf. Was geht hier vor?
Die Theaterwoche des 2. Ausbildungsjahres wurde mit der Aufführung von Performances in unterschiedlichen Räumen am Institut abgeschlossen. Die Studierenden hatten die Aufgabe, sich mit dem Schatten, wie ihn C.G.Jung definiert, also mit 'negativen', sozial unerwünschten und daher ins Unterbewusstsein verdrängten Zügen unserer Persönlichkeit, auseinanderzusetzen und aussagekräftige Bilder dafür zu finden.
Nach Jung führen nicht integrierte Schattenseiten oftmals zu einer Projektion auf andere Personen oder Gruppen. Auf diese Weise entstehen Vorurteile, aber auch Phänomene wie Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus oder auch Homophobie.
Und so tauchten die Besucher der Performances tief ein in die Schattenwelt der menschlichen Psyche, begegneten individuellen Ängsten, aber auch Gegenwartsproblemen, die wir gerne ins Unbewusste verdrängen, weil wir uns ohnmächtig fühlen, weil sie unseren Alltag zu sehr belasten würden: zunehmende digitale Überwachung, Massentierhaltung, Zerstörung der Natur, Kinderarbeit. Die Zuschauer verließen das Geschehen in wahren Sinne des Wortes als Gezeichnete: Eine fingierte Modenschau eskalierte, die Akteure beschmierten die Zuschauer mit roter Farbe, als Zeichen dafür, dass wohl jeder von uns billig produzierte Massenware kauft und damit Ausbeutung und Kinderarbeit unterstützt. Und so schwer sich die Farbe abwaschen ließ, so schwer ist es auch, die Bilder wieder loszuwerden, die sich durch die intensiven Performances in unser Gedächtnis eingeschlichen haben und die noch lange in uns nachwirken werden. Uns wurde ein Spiegel vorgehalten, Verdrängtes bewusst gemacht, der Schatten ans Licht des Bewusstseins gezerrt. Wir wurden zum Hinsehen und Nachdenken gezwungen. Extrem unangenehm. Gut so.
Bilder: privat